Freitag, 25. Januar 2013

Über das Entstehen meiner Figuren

Jeder Autor hat seine bestimmte Art, Figuren entstehen zu lassen. (Click-to-Tweet)

Nachdem nun meine Gedanken ständig um Recherche, Stil und Ausdruck gekreist waren, schoben sich derweil die handelnden Charaktere zusammen. Noch schwammen sie etwas undurchsichtig vor meinem geistigen Auge. Es wurde Zeit für mich konkret vorzugehen.
Zunächst schrieb ich alle beteiligten Personen auf ein Blatt Papier. Ich ordnete sie nach wichtig und weniger wichtig, übertrug sie auf ein großes DIN A 3 Blatt und verband die Namen scheinbar wahllos miteinander. Das so entstandene Bild sah aus wie ein Fragequiz.

Meine Familie schaute mir übrigens mit einer Mischung aus Mitleid und Unverständnis über die Schulter. Nun, sie mussten meine Ausführungen nicht verstehen, noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt war ich sowieso nicht zu erläuternden Erklärungen bereit.

Ich konzentrierte mich also fest auf meine Figuren, arbeitete mich energisch durch sie hindurch.
Wer stand wie zu wem? Ich ließ Verbindungen entstehen und löste sie manchmal wieder, wenn sie mir unlogisch erschienen. Ich zeichnete, radierte, erschuf neu.

Eine wirkliche Schlüsselfrage stellte sich zu meiner Hauptfigur. (Click-to-Tweet)

Womöglich brauchte ich eine weitere? Ich zerbrach mir den Kopf und entschied mich letztlich nur für eine, meinen Kommissar. Aber wer war sein Gegenspieler? Und wie sollte sich meine Hauptfigur entwickeln? Mir schwebten mehrere Wendungen im Roman vor, mit denen er kämpfen sollte. Wie konnte ich alle Details zusammen plausibel verpacken? Schließlich sollte mein Hauptkommissar Heinrich List, wenigstens sein Name stand frühzeitig für mich fest, am Ende des Buches kein völlig anderer Mensch sein. Nur innerlich reifen, das sollte er schon. Doch wie weit würde er dafür gehen?
Es dauerte eine Weile bis ich sicher wusste, wie seine ganz persönliche Wandlung laufen musste.
Basierend auf dem Schatz meiner Erfahrungen und Beobachtungen legte ich bis dahin penibel genau die Charaktere und Besonderheiten jeder einzelnen Person fest. Welche Macken beherbergten sie? Was waren ihre Stärken, Schwächen oder Vorlieben? Gab es dunkle Seiten? 

Sorgfältig gab ich jeder Buchfigur ihre eigene Biografie. (Click-to-Tweet)

Es entstanden einzigartige Charaktere, die nur in winzigen Ansätzen mit der einen oder anderen Beobachtung übereinstimmten.

Ich habe etliche Seiten meines Computers mit den Eigenschaften meiner Helden gefüttert. 

Jeder einzelne Charakter meines Buches hat neben einem Gesicht ein unverwechselbares Profil bekommen. (Click-to-Tweet)

Jeder einzelne hat seine Vergangenheit, seinen Wohnort und vor allem seine Gefühle und Gedankengänge erhalten.
Alle Verbindungen standen klar und deutlich fest. Es hat mich einige Mühen gekostet.

Am Ende war ich mächtig stolz auf mich. Eine weitere Etappe meines großen Vorhabens war geschafft.
Nun, da jede Person meines Buches charakterlich feststand, erkannte ich verblüfft am schriftlichen Ausmaß meiner Figurenkartei, dass die eigentliche Arbeit nun erst richtig losgehen würde. Das aussagekräftige Exposé, ein logisches Handlungsgerüst und die Darstellung der charakterlichen Wandlung meiner Hauptfigur List riefen förmlich nach schriftlicher Abfassung.
Für einen Moment war ich tatsächlich geneigt, diese schriftstellerischen Hilfsmittel zu umgehen und meinem innersten Wunsch zu folgen. Ich wollte endlich mit dem Schreiben meines Buches beginnen.

Schließlich widerstand ich der aufkeimenden Versuchung und stürzte mich voller Inbrunst auf das leere, weiße Blatt Papier, welches bald mein Exposé werden sollte.

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