Dienstag, 21. November 2017

Alle Jahre wieder - Klassentreffen

Ab einer gewissen Zeit geschieht es alle paar Jahre - immer wieder, das Treffen mit den alten Klassenkameraden. Genau ein solches habe ich kürzlich erlebt.

Alle Jahre wieder - Klassentreffen | Blog Silke schreibt

Da hockt man zusammen mit breitem Lächeln, betrachtet die etwas verblassten Bilder, blättert belustigt in Poesiealben, schaut in gelebte Gesichter und erkennt in ihnen die Weggefährten vergangener Tage. Die Leben der Einzelnen schrumpfen zusammen auf wenige Augenblicke der Freude, der Verwunderung, der Ohnmacht oder der traurigen Rührung. Etliche sind nicht gekommen, verhindert im Alltag, durch Familie, Krankheit oder gar den Tod. Manche fahren hunderte Kilometer um das Ereignis mitzuerleben. Einige drücken sich, einige mögen keine Menschenansammlungen. Die Gekommenen vereint neben Neugier ein vertrautes Gefühl.

Wer ist das? Ging er/sie tatsächlich in unsere Klasse? Bist du etwa die/der Zurückhaltende? Nein, dich hätten wir fast nicht wiedererkannt. Wie hast du das bloß gemacht? Die Anwesenden sieht man noch immer mit der Schultüte im Arm, mit der Spange im langen Haar, mit dem verschmitzten Gesichtsausdruck rund um die fröhlich dreinblickenden Augen, die Schulmappe locker auf einer Schulter tragend. Das war doch erst gestern!
Weißt du noch, diese Lehrerin mit dem strengen Blick? Denkst du manchmal zurück an unser Abenteuer auf jener Klassenfahrt? Erinnerst du dich an unseren letzten gemeinsamen Schultag? Unumstritten schwingt bei jedem Klassentreffen eine gehörige Portion Melancholie mit. Gleichgesinnte unter sich vereint ein kleiner gemeinsamer Nenner. Wo ist bloß die Zeit geblieben?

Wieso ist eigentlich im Herbst Hochsaison für Klassentreffen?
Es lohnt sich doch, so ein Jubiläum im Frühjahr/Sommer zu zelebrieren, draußen im Biergarten in lockerer Runde bei angenehmen Temperaturen oder hier an der Ostsee in einer netten Strandbar. Einerseits inspiriert mich die gesellige Runde zwischen den vertrauten Gesichtern, anderseits wirken einzelne Schicksale nachhaltig und regen mich zum Nachdenken an.

"Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden, aber nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden."
Sören Kiekegaard

Was es schön, das Klassentreffen?
Natürlich war es schön, und wir treffen uns wieder. Aber aus zehn Jahren machen wir fünf oder noch weniger, weil die Zeitreise des Lebens immer schneller ihren Tribut fordert und verglüht wie eine Sternschnuppe, die vom Himmel fällt.

Bist du ein Typ für Klassentreffen? Wenn ja, was gefällt dir daran? Triffst du dich mit Gleichgesinnten auch außerhalb der obligatorischen Jahreszahlen? Zu welcher Jahreszeit feiert ihr eure Jubiläen?









Donnerstag, 9. November 2017

Warum der Fall der Berliner Mauer ein Glücksfall für mich war ...

Heute jährt er sich schon wieder, dieser historische Tag, 09. November 1989.
Als junger Mensch habe ich damals die Öffnung der Grenze, den Fall der Mauer, unmittelbar in Berlin miterlebt.

Gerade in der heutigen Zeit, da manch einer dieses Geschichtsereignis infrage stellt und am liebsten die Geschehnisse samt der schrecklichen Umstände zurückdrehen würde, ist es wichtig, sich der Bedeutung der Historie bewusst zu werden.
Den Leuten, die heute noch unsinnige Sätze loslassen, wie - "Die wollten alle nur unser Geld.", "Wir mussten 16 Mio. integrieren.", "Zieht bloß die Mauer wieder hoch, dann bleiben die unter sich.", "Die sind sowieso alle arbeitsscheu." -, kann ich nur einen Besuch in den zahlreichen Stasi-Gedenkstätten unseres Landes empfehlen. Wer die gesehen hat, kann ungefähr nachvollziehen, wie sich die Freiheit in jenen Tagen für Millionen Bürger unseres Landes angefühlt hat. Denn neben all der Freude über das Unvorstellbare und der Neugier schwang ein seltsames Gefühl der Stille mit, welches sich in der Magengegend einnistete, je näher wir der innerdeutschen Grenze kamen. Dazu gesellte sich eine gehörige Portion Angst. Angst vor Übergriffen, Angst vor Gewalt, Angst, nicht mehr nach Hause zurückkehren zu können in dieser Nacht. Immerhin gab es eine Mauer, die noch in 100 Jahren stehen wird. Genau das nämlich hatte Erich Honecker noch kurz davor freudestrahlend verkündet.
Uns war nicht zum Lachen zumute.

Stück der Berliner Mauer - East Side Gallery
Trotz aller Großzügigkeit der damaligen Bundesregierung zierte ich mich, das Begrüßungsgeld in Empfang zu nehmen. Für mich stellten diese 100,- DM einen gehörigen Reichtum dar.
Ich sah mich bereits in Rom, Paris und New York sitzen. Ich wollte reisen, mir Dinge leisten, von denen ich bis dahin nur geträumt hatte und nicht zuletzt wenigstens ein paar von den netten Menschen kennen lernen, die mir das ermöglichten. Alles konnte geschehen, wenn ich den ersten Schritt tat und mich in die Schlange der Wartenden einreihte. Irgendwann tat ich es, nachdem mir Freunde und Kollegen berichteten, wie unkompliziert der ganze Prozess sei. Es war jener Moment in meinem Leben, da ich mich dem Bettler an der nächsten Straßenecke befremdlich verbunden fühlte, und es war der Jubel jener Tage, der schnell dieses dumpfe Gefühl überstrahlte.

Ein halbes Jahr nach dem Fall der Mauer hatte ich mein Land verlassen, jenes Land, welches sich in Auflösung befand. Den Tag der Deutschen Einheit hatte ich bereits in Baden Württemberg erlebt. In den Augen mancher Leute war ich in jenen Tagen ein Wirtschaftsflüchtling. Zum Glück war ich der deutschen Sprache mächtig, hatte eine Ausbildung absolviert, sogar ein anerkanntes Studium vollendet, hatte an meinem neuen Wohnort alle Hebel in Bewegung gesetzt, mich beruflich und privat zurechtzufinden und trotzte dem schmerzhaften Heimweh.
Nach Jahren in der Fremde zog ich später an die Ostsee zurück.

Was bleibt, ist die Historie, das glückliche Gefühl der entstandenen Verbundenheit, der Gedanke an die vielen unvergesslichen Momente mit freundlichen Menschen im Süden und anderen Teilen Deutschlands, denen ich begegnet bin und der Wunsch an manchen Zeitgenossen, die damaligen Geschehnisse nicht mit den heutigen durcheinander zu bringen. Schon seinerzeit haben wir miteinander gelernt, nicht alle Leute in denselben Topf zu werfen, und als vermeintlich arbeitsscheuer Ossi schloss ich mit so manchem BesserWessi ganz wunderbare, innige Freundschaften, was ohne den Fall der Mauer niemals möglich gewesen wäre. Vielleicht sollten wir uns öfter an dieses historische Ereignis erinnern, als nur in diesen Tagen?

Übrigens im November 2014 durchzog Berlin eine beeindruckende Lichtgrenze. Mit einem Gänsehautgefühl bin damals dort entlang spaziert. Was ich seinerseits empfunden habe, könnt ihr hier nachlesen.
Ob noch ganz jung oder etwas älter, um ein historisches Datum herum graben wir eben gern in den persönlichen Erinnerungen.

In welchem Teil Deutschlands hast du den Fall der Mauer erlebt? Kannst du dich noch an diesen Tag erinnern? Verbindest du damit ein besonderes Erlebnis?